Wie oft ärgern wir uns über den Chef oder einen Kollegen? Manche Menschen bringen uns nie zur Weißglut, anderen hingegen gelingt es regelmäßig. Manchmal ärgern wir uns über die Argumente der anderen, manchmal wundern wir uns über deren unverständliche Sichtweisen und vermeintlich verqueren Meinungen.

Und wenn wir dann im Ärger, Problem oder Konflikt steckenbleiben, dann gibt es schnell eine Eskalation, es dreht sich ein Konfliktspirale, und es entbrennen mitunter Streitereien, die durchaus vermeidbar wären.

Zuallererst sei gesagt, dass nicht die Fragen nach dem Grund oder der Schuld Konflikte klären, sondern das Gegenteil bewirken. Kümmern wir uns zuerst um die Schuldfrage: Die Schuld einem anderen zu geben, vielleicht zu sagen, „Sie sind schuld dass … dies oder jenes passiert ist …“ ist wie ein Karussell, solange die Musik spielt, dreht es sich. Hört die Musik auf, dann hält es an. → Viele Menschen würden das Karussell sofort stoppen, wäre ihnen bewusst, dass sie sich mit Schuldzuweisungen nur in die Opferrolle bringen. Sie geben dem Kontrahenten die Täterrolle und somit die mächtigere Position. Ob das gewollt ist?

Die Suche nach einem Grund kann auch eine Suche nach einer Erklärung sein. „Ach so, wenn Sie das aus diesem oder jenen Grund getan haben, dann verstehe ich Ihre Handlung natürlich.“ – Allerdings beobachte ich im Konfliktmanagement häufig, dass Menschen die Position „Warum“, aus welchen Gründen auch immer, partout nicht verlassen, sondern steckenbleiben und weiter streiten, anstatt konstruktiv zur Klärung zu gelangen. Dabei liegt das, was passiert ist, das, worüber gestritten wird, meist in der Vergangenheit. Seltener liegt das Streitobjekt in der Zukunft. Gestritten, diskutiert und gezetert wird jedoch im Hier und im Jetzt, in der Gegenwart.

Und auch, wenn ein Problem aus der Vergangenheit in die Gegenwart reicht und dort darüber gestritten wird, dann mit dem Sinn, dass es in der Zukunft besser wird. Aber wenn das Ziel ist, eine Lösung zu schaffen, warum reden dann viel zu viele Konfliktparteien immer über das Problem oder den Konflikt, als ihn zu benennen, um dann zügig zur Klärung zu gelangen? Die Antwort ist: Dabei spielen das eigene Ego und die subjektiv empfundene Verletzung eine große Rolle.

Ich erlebe in Unternehmen häufig, dass sich einst „gute“ Kollegen durch Vorfälle oder Ereignisse beginnen zu streiten und teilweise leider zu unerbittlichen Feinden werden. Auch wenn man einst alles geteilt und gemeinsam geschätzt hat, die privaten Erlebnisse vom Wochenende ebenso wie die interessanten Diskussionen über betriebliche Themen – mit wenigen Vorfällen wendet sich das Blatt. Der Kollege wird zum Konfliktgegner, und auf einmal ist alles schlecht, was er oder sie macht. Nichts ist mehr recht, sondern an allem, was der andere tut oder sagt, wird etwas gefunden, was verbesserungswürdig wäre – aber auf jeden Fall etwas, das kritisiert und mit einem Mangel an Wertschätzung betraft werden kann.

Wenn sich die Konfliktspirale erst einmal dreht, ist es wichtig zu erkennen, dass jeder der Beteiligten sie stoppen kann. Nicht auf jede Verletzung muss mit einer weiteren, gegenseitigen Verletzung geantwortet werden. Das gelingt, indem man den Menschen hinter dem Konflikt erkennt: zum Beispiel den einst achtsamen Kollegen oder die herzliche Kollegin. Leider neigen wir in der Regel dazu, gefangen in der negativen Energie des Konfliktes oder Problems, nur noch die weniger guten Eigenschaften des anderen zu erkennen. Das ist durchaus erklärbar, denn in dem Fall siegt oftmals das Teufelchen, welches auf einer Schulter sitzt und dem Engelchen auf der anderen Schulter sagt: „Ich habe die letzten Jahre bereits viel zu viel Gutes über den Menschen gehört. Jetzt ist meine Stunde gekommen, und ich darf endlich all das Schlechte und Negative über unseren Gegenüber rausposaunen!“ So in etwa kann man es ich vorstellen, das Engelchen hat die Oberhand, wenn es gut läuft und das Teufelchen, wenn es kracht und kriselt.

Welchen der beiden Sie den Vortritt lassen, liegt vielleicht auch an dem Grad der ausgetauschten Verletzung und auch an der Zeit, die der Konflikt bereits andauert. Wichtig ist, dass Sie sich bewusst werden, dass Sie die Macht haben, den Konflikt zu beenden – bzw. ihn zu verändern. Denn zu einem Streit gehören mindestens zwei Personen. Wenn Sie nicht mitstreiten, kann sich niemand mit Ihnen streiten.

Viel zu häufig erlebe ich Menschen, die einem anderen vermeintliche Verfehlungen jahrelang nachtragen. Warum eigentlich? Die Verfehlung lag in der Vergangenheit, sie kann nicht mehr verändert werden – außer durch eine Entschuldigung. Und diese Sätze fallen machen Menschen schwerer als anderen. Dabei klären sie öfters Konflikte und Probleme, als man sich vorstellen kann. „Ich bedauere, dass Sie die Situation so erlebt haben. Vielleicht können wir gemeinsam darüber sprechen, wie es in Zukunft besser laufen kann?“ Einfache Worte, die Kontrahenten häufig nicht über die Lippen kommen, was vielleicht mit dem eigenen Ego oder der eigenen Verletzung zu tun hat. Lieber wird jahrelang gestritten und gekämpft. Im schlimmsten Falle werden sogar andere Menschen mit hineingezogen, die dann Partei für oder gegen einen der Beteiligten ergreifen sollen.

Selbst Sokrates wusste: „Das Geheimnis der Veränderung besteht darin, deine ganze Energie darauf zu konzentrieren, Neues aufzubauen, statt Altes zu bekämpfen.

In diesem Sinne, sehen Sie sich den Kontrahenten an, sehen Sie ihn als engagierten Kollegen oder erfolgreichen Abteilungsleiter. Sehen Sie sich den Menschen hinter dem Konflikt an. Er ist aus Fleisch und Blut, er hat Gefühle und Emotionen, wie Sie sie haben. – Sie können ihn ebenso verletzen, wie er oder sie es bei Ihnen kann. Wenn es Momente gibt, in denen man den Gegenüber verletzten möchte, in dem es einem egal ist, wie es demjenigen geht, dann sind dafür höchstwahrscheinlich das eigene Ego und die eigene subjektiv empfundene Verletztheit verantwortlich. Wenn Sie sich das bewusst machen, können Sie die Konfliktspirale anhalten. Manchmal reicht dann zur Klärung die Frage: „Wollten Sie mich gerade bewusst verletzen?“ Wenn dann mit einem „Ja“ geantwortet wird, dann würde ich empfehlen, die Klärung auf einen anderen Zeitpunkt zu verlegen und dem Gegenüber die Gelegenheit zu geben, über seine Antwort nachzudenken. Plan B sollte immer sein, professionelle Hilfe zu Rate zu ziehen. Bei vielen Mediatoren zum Beispiel ist das Erstgespräch kostenlos. Das schafft die Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen, und auch zu klären, ob und in welchem Zeitraum der Mediator den Konflikt als klärbar einschätzt.

Wichtig ist in jedem Fall, dass Sie den Menschen hinter dem Problem oder Konflikt erkennen. Fragen Sie ihn doch einfach einmal, wie er sich dabei fühlt. – So habe ich als Konfliktmanagerin bereits viele Konflikte konstruktiv klären können.