(Dschalâl-ed-dîn Rumî)

An diesem Ort gibt es keine Spaltung, und niemand richtet über den anderen. Dort treffen sich Menschen, die einander achten und wertschätzen und sich wechselseitig unterstützen. Dort gibt es keine Beurteilungen oder gar Konflikte. Dort gibt es Kommunikation und Meinungen, die nicht einheitlich sein müssen – sie dürfen und sollen sogar voneinander abweichen, weil das die Grundlage für konstruktive Diskurse und Optimierung ist.

Als Konfliktmanagerin und Mediatorin weiß ich, die Welt ist nicht so einfach, wie sie aussieht. Sie ist nicht schwarz oder weiß. Sie teilt sich auch nicht in gut und böse oder in richtig und falsch. – Es kommt darauf an, durch wessen Brille man die Welt, die Situationen und die Chancen betrachtet.

Niemand möchte, dass unsere Kinder und Enkelkinder in einer Welt voller Hass und Ausgrenzung aufwachsen. Zu viele Familien und Freundschaften sind schon zerbrochen, weil man unterschiedlicher Meinung war. Zu viel Angst, zu wenig Glaube und Vertrauen. Zu viele unvereinbare Meinungen. … Was wir brauchen, ist eine vernünftige, zielführende Gesprächskultur. Kein Aufeinander-Losgehen und Ausgrenzen von Minderheiten.

Sich gegenseitig als dumm beschimpfen …

Wenn die Menschen sich gegenseitig als dumm beschimpfen, dann heißt das, dass sie unterschiedliche Informationen unterschiedlich gewichten. Sieht man von außen, neutral und möglichst unbeteiligt auf die jeweiligen Unterschiede, stellt man fest, dass alle Seiten für sich schlüssige Argumente, Daten und Fakten haben.

Wir haben als Gesellschaft mehr als alle Generationen vor uns den bequemsten Zugriff auf Informationen in jeder beliebigen Ausführlichkeit und Detailtiefe. Dennoch ist das auch ein Grund, warum es so viel unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen gibt. So wie jede Münze zwei Seiten hat, hat auch jedes Thema mindestens eine Gegenseite. Die Batterie, die ohne den Gegenpol gar nicht funktioniert, ist ein gutes Sinnbild dafür, wie wichtig es ist, den Gegenpol mit einzubeziehen. Mit und durch ihn zu lernen, was man selbst nicht sieht oder schlichtweg noch nicht weiß.

Druck auf den Gegenpol auszuüben, ist keine Lösung, die dazu führen würde, dass sie tatsächlich von allen gleichermaßen akzeptiert und mitgetragen würde.

Er-schlagende Argumente …

Eine anderslautende Meinung zu ändern, ist schwer, außer man weiß, wie.

Häufig erlebe ich, dass versucht wird, jemandem die Daten, Fakten und Argumente um die Ohren zu hauen, die für denjenigen, der sie vorbringt, selbst überzeugend klingen. Doch nur allzu oft gelingt das nicht. Weil schlichtweg versäumt wurde, den anderen dort abzuholen, wo er gerade steht. So entstehen Situationen, bei denen man den Eindruck gewinnen könnte, man spräche unterschiedliche Sprachen, weil der Gegenüber nicht zu begreifen scheint, was man selbst für allzu klar und selbstverständlich hält.

Wesentlich konstruktiver, als zu versuchen, dem Andersdenkenden von der eigenen Meinung zu überzeugen, sie ihm umgangssprachlich überstülpen zu wollen, ist zuhören. Hinterfragen, wie er oder sie zu der Meinung gekommen ist, die zum momentanen Zeitpunkt vertreten wird. Also, die andere Gesprächspartei dort abholen, wo sie gerade steht. Sich für deren Meinung und Sichtweise interessieren. Nachfragen, welche Quellen und Informationen dieser Meinung zugrunde liegen. Interesse zeigen für die anderslautende Meinung, dann wird aller Wahrscheinlichkeit wechselseitig auch Ihre Meinung gefragt werden.

Und wenn Ihre Daten, Fakten und Argumente wirklich so gut und so stichhaltig sind, wie Sie denken, dann erhöht das Ihre Chancen, um damit beim Gegenüber zu punkten. Und ihn dazu bringen, seine vermeintlich „falsche“ Meinung zu revidieren – auf jeden Fall mehr als mit Druck.

Das ist der Ort, an dem wir uns treffen wollen!

Die Lösung liegt darin, über die vermeintlich „falsche“ Meinung ins Gespräch zu kommen, und dann ruhig, souverän und konstruktiv das Gespräch zu führen. Zuhören und respektvoll miteinander, wechselseitig im Dialog sein. → Das ist der Ort, an dem wir uns treffen wollen.

Dann lernen wir aus Fehlern. Reflektieren Vergangenes und lernen für die Zukunft.

Machtvoll in die Zukunft führen …

Die meisten Menschen handeln aus ihrer jeweiligen und subjektiven Gefühlslage heraus. Leider oftmals unbewusst. Hitzige Debatten, Streit und Konflikte basieren auf Gefühlen und Emotionen. Ansonsten würde man sachlich über die Themen diskutieren und konstruktiv Ziele anvisieren. Man würde sich wechselseitig zuhören und miteinander statt kontrovers und gegeneinander debattieren, und das, ohne sich dabei überhaupt zuzuhören.

Dabei hat die Macht immer derjenige, der die Gefühle in der jeweiligen Situation bestimmt. Der Neinsager, derjenige, der sich zur Wehr setzt, also der, der nicht die Befehlsimpulse gibt, ist nicht der, der die Macht hat.

  • Am souveränsten ist derjenige, der aus einer unabhängigen Gefühlslage heraus handelt.
  • Der mächtigste ist in der Gefühl-führenden Rolle.
  • Der schlauste ist der, der seine eigenen Gefühle gut kennt und aufmerksam zuhört.

Weil Gefühle eine sehr starke Energie und wundervolle Instrumente sind.

Gefühle sind unser angeborener Kompass und Wegweiser und uns lassen spüren, ob etwas vermeintlich richtig oder falsch ist. Zeigt sich ein ungutes Gefühl, gilt es, achtsam zu sein. Ist alles im grünen Bereich, dann spüren wir das ebenso, wie wenn wir uns freuen oder traurig sind.

Wer in einer Konfliktsituation souverän bleibt, weil er seine Gefühle umgangssprachlich im Griff hat, ist demjenigen gegenüber, der diese Kunst nicht beherrscht, klar im Vorteil. … Manchmal entstehen Gesprächssituationen, bei denen es sich lohnt, sie erst dann weiterzuführen, wenn die Beteiligten Ihre Gefühle und Emotionen wieder im Griff haben. Sonst werden Dinge ausgesprochen und Entscheidungen gefällt, die man später, wenn man wieder klar denken kann, bereut.

Wer Lösungen sucht der findet, die anderen finden Schuldige …

Die Praxis zeigt: Werden Monologe mit Dialogen verwechselt, heißt es im Anschluss oft die Gegenseite sei unversöhnlich, stur und intolerant. Dabei hat nie wirklich ein zielführendes Gespräch stattgefunden. Und der Fehler liegt in dem Fall nicht bei der Gegenseite, die aufgrund mangelnder Kommunikation jetzt wahrscheinlich beschuldigt wird. Die Schuldfrage ist ein beliebtes und mitunter ausdauerndes Mittel, um vom eigentlichen Thema abzulenken, nämlich der Frage, worum es wirklich geht.

Wer hingegen Lösungen finden will, der interessiert sich weniger für Gründe und Schuldfragen, die zwar als Erklärungen dienen, über die aber lange Diskussionen zu führen, der Lösung häufig wenig zuträglich ist. Spricht man hingegen ausdauernd über Lösungen, gemeinsame Ziele und vielleicht auch über das höhere Wohl, dann finden sich Gemeinsamkeiten, und die Menschen reden wieder miteinander und treffen sich an einem Ort der Verständigung.

Die Geschichtsbücher sind voll von Erzählungen von Orten der Konfrontation und darüber, wie man es hätten besser machen können. Lernen wir daraus und beginnen wir, zuzuhören und interessierte Fragen zu stellen. Urteilen wir nicht und bewerten wir nicht. – Dann sind wir machtvoll und zu-frieden. Treffen wir uns jenseits von richtig und falsch.

Quellenangabe:

„Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“ Dieses Zitat ist uralt und dennoch aktueller denn je. Es stammt von dem im Mittelalter lebenden persischen Mystiker und einem der bedeutendsten persischsprachigen Dichter Dschalâl-ed-dîn Rumî (1207–1273). Es ist zu finden in:

Marshall B. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation, Paderborn, 2003, S. 31.

Es ist zitiert nach:

https://gutezitate.com/zitat/168425